Von außen zeigen sich Lenkräder der nächsten Generation multifunktional, kommunikativ und gefühlvoll. Im Innern stecken Sicherheit, Sensoren, Software und Elektronik. Damit steuert ZF dieses wichtige Kontrollinstrument in die Zukunft.
Wer Auto fährt, greift beim Einsteigen danach und lässt sich erst dann in den Sitz fallen. Unterwegs fassen die Hände nichts anderes länger an. Das Lenkrad ist Innenraum-Erstkontakt und eine der zentralen Mensch-Maschine-Schnittstellen (Human Machine Interface, HMI) zugleich: Mit ihm setzt man sich „ans Steuer“, hat man sein Fahrzeug „im Griff“. „Die Nutzer leiten daraus sogar ein Qualitätsurteil fürs gesamte Fahrzeug ab“, sagt Marc Schledorn, Senior Manager Vorentwicklung Lenkradsysteme bei ZF.
Und auch wenn der Anteil autonom fahrender Shuttles und Taxis im kommenden Jahrzehnt zunehmen wird, bleiben die nicht- oder teilautomatisierten Pkw und Nutzfahrzeuge noch lange in der Überzahl – und uns somit auch das Lenkrad noch lange erhalten. Seine Form und Fähigkeiten allerdings wandeln sich. Es wird neue Fahrzeughersteller- und Kundenwünsche erfüllen. Diese erwachsen hauptsächlich aus den Bereichen Innenraumdesign, hochautomatisiertes Fahren und Sicherheit sowie aus Gesetzes- und Marktanforderungen.
Ob für ein besseres Raumgefühl speziell in E-Autos, einen freieren Blick auf die Anzeigen oder beides zugleich: Der Lenkraddurchmesser schrumpft weiter. Seit den 1950er-Jahren gestattet die unterstützende Kraft der Servolenkung sportlichen Autos kleinere Volants. Steer-by-Wire, wie es ähnlich auch Flugzeuge nutzen (Fly-by-Wire), wird noch weit mehr ermöglichen. Räder und Lenkrad sind hier nicht mehr mechanisch miteinander verbunden. Deshalb kann es stillhalten, während ein Autopilot steuert: Die elektronisch geregelten Steller kümmern sich um den Radeinschlag. Auch muss die Lenkradform nicht mehr der Lenkfunktion folgen, theoretisch zumindest.
In der Praxis bleiben auch die meisten der ZF-Lenkräder in absehbarer Zukunft rund bis rechteckig, mit allen Spielarten dazwischen – von teilabgeflacht bis achteckig. Diese geschlossenen Lenkradkranzformen haben sich in der Vergangenheit bewährt, sie sind dem Fahrer vertraut und ergonomisch gestaltet. Stark verändert sich der Zwischenraum des Kranzes: Eine mit verschiedenen Steuerelementen belegbare Oberfläche dient wohl bald als in die Breite gezogene Doppelspeiche.
Auf diesem zentralen Bedienelement lassen sich die gewohnten Lenkradtasten in nahezu beliebiger Funktion, Form und Farbe nachahmen. „Was genau sich darauf abspielt, entscheidet der Fahrzeughersteller. Wir bieten ihm aber die maximal flexible Gestaltungsmöglichkeit“, so der ZF-Entwickler. Großen Konzernen könnte so bald ein einziges Lenkradsystem genügen, um unterschiedlichsten Plattformfahrzeugen den jeweiligen marken- und modelltypischen „Touch“ zu verleihen.
Neue Anzeige- und Illuminationsoptionen halten auch im Kranz Einzug. Insgesamt können diese die Sicherheit und die klare Kommunikation zwischen Fahrzeug und Mensch fördern: etwa indem sie ergänzende Warnsignale abgeben, wenn die elektronischen Assistenten Gefahr erkennen. Oder indem sie beim automatisierten Fahren rot leuchtend mit darauf hinweisen, dass jetzt wieder der Mensch am Zug ist. Ob er oder sie dann auch wirklich ans Lenkrad greift, erfühlt der Kranz per Hands On/Off Detection (HOD). Im Pkw ist das schon Stand der Technik, im Lkw dürfte es noch kommen. Künftige Systeme könnten auch den Puls messen. Das hilft dem Fahrzeug, besser einzuschätzen, ob die Person auch wirklich zum Steuern imstande ist.
Fast genauso wichtig wie für die Sicherheit wird die Lenkradillumination für das Interieurdesign. Gerade in asiatischen Märkten stehen solche Features hoch im Kurs. „Digitalisierte Fahrzeuge sind ein entscheidender Image- und Prestigefaktor“, sagt Schledorn.
Abgesetzte Nähte, hervorstehende Dreh- und Drücktasten und der prägnante Geruch von edlem Leder: All des wird es in kommenden Lenkradgenerationen kaum noch geben. Der generelle Trend heißt „Seamless Design“ („nahtlose Gestaltung“) und ist wörtlich zu verstehen. Der Kranz bildet eine geschlossene Einheit, die fließend in das glatte, mittige Bedienelement mit virtuellen Tasten übergeht.
Software legt den Grundstein, damit sich die Tasten und Anzeigen individuell konfigurieren lassen – ob durch den Fahrzeughersteller oder die Fahrerinnen und Fahrer selbst. Diese Vorprogrammierung muss jedes künftige ZF-Lenkrad mitbringen. Sie liefert auch die Basis, um sogenannte On-Demand-Funktionen über das Lenkrad anzeigen zu können: „Spontan zubuchbare Stauassistenten in Mietwagen wären ein Beispiel“, erläutert Schledorn. Die integrierte Software sorgt außerdem dafür, dass sich das Lenkrad mit den anderen HMI-Systemen des Fahrzeugs bestens versteht.
Sensormatten unter dem Bezug ermöglichen die HOD-Funktion. Fortschrittliche Lenkräder erledigen das über mehrere Zonen. Sie erkennen also nicht nur, ob, sondern auch wo genau jemand anpackt. Steuergeräte (ECUs) verarbeiten die Informationen und lenken daraus abgeleitete Befehle in die richtigen Bahnen. Reduktion lautet auch hier die Devise: „Bislang waren bis zu drei ECUs üblich. Schon in der nächsten Lenkradgeneration genügt uns nur noch ein Steuergerät, das entsprechend leistungsfähiger ist und nahtlos in die übergeordnete Elektronikarchitektur des Fahrzeugs eingebunden ist“, sagt der Systementwickler.
Sogenannte kinematische Lenkräder werden sich falten und buchstäblich ins Armaturenbrett zurückziehen können. Flugzeugähnliche Steuerhörner oder „Handlebars“ mit nur noch einem Griff links und rechts erinnern an Formel 1. Doch sind solche Lenkraddesigns tatsächlich an eine ferne Vision geknüpft: Hochautomatisiertes Fahren oder Lenksysteme mit einer Steer-by-Wire Technologie ermöglichen neue Gestaltungsfreiheiten. Ganz gibt der Fahrer das Steuer in „seinem“ Fahrzeug also nicht so schnell her.
ZF als Lenkradhersteller
Groß auf dem Lenkradmarkt
Auch wenn in der Mitte nie das ZF-Logo steht. Es sind Lenkräder des Technologiekonzerns, an die Fahrerinnen und Fahrer jedes vierten neuen Pkw greifen. Schließlich verfügt ZF über große Expertise auf diesem Gebiet. Mit elektrischen Lenksystemen, Airbags, Elektronik und Software hat der Konzern zudem eng verwandte Kompetenzfelder „inhouse“. Damit kann er direkt in Richtung Zukunft lenken.
Achim Neuwirth ist seit 2011 als Autor für ZF tätig. Der Publizistiker schreibt bereits seit rund 20 Jahren über Mobilitätsthemen in allen Facetten.
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