ZF LIFETEC entwickelt Airbag für hochautomatisiertes Fahren
2024-Jun-19
- Gewohnt hohe Sicherheit im Crashfall; auch für Komfortsitzpositionen beim hochautomatisierten Fahren
- Von ZF entwickelter Gasgenerator erlaubt durch hohe Gasfüllmenge die Entwicklung besonders großer Airbags
- Anpassung des Innendrucks im Airbag an Statur und Gewicht der Insassen möglich
Alfdorf. Wird automatisiertes Fahren zur Realität, werden Fahrer ihre Sitzposition in Phasen ohne Fahrverantwortung ändern können. Um diese im Crashfall bestmöglich zu schützen, auch wenn sie sich in einer bequemeren Sitzposition befinden, sind neue Airbag-Konzepte notwendig, die sich in der Wirkungstiefe an die jeweilige Sitzposition anpassen. Bereits zur Applikationsreife entwickelt hat ZF LIFETEC einen sogenannten „Dual Contour“-Airbag für die Beifahrerseite, der je nach Sitzposition in zwei verschiedenen Größen aufgeblasen werden kann. Jetzt entwickelt ZF LIFETEC auch für die Fahrerseite einen solchen Dual-Contour-Airbag für die nächste Generation teil- oder vollautomatisierter Fahrzeuge.
Hochautomatisiertes Fahren nach Level 3 ist in einer steigenden Anzahl von Fahrzeugen möglich und in immer mehr Ländern zugelassen. Fahrerinnen oder Fahrer können sich bei aktiviertem System vom Verkehrsgeschehen abwenden – unter der Voraussetzung, dass sie das Kommando über das Fahrzeug jederzeit wieder übernehmen können, wenn sie dazu aufgefordert werden. Beim vollautomatisierten Fahren nach Level 4 könnte bald auch diese Einschränkung wegfallen, wenn das Fahrzeug bestimmte Streckenabschnitte völlig selbstständig zurücklegt. Dabei können Fahrer auch die Sitzposition und die Neigung der Rückenlehne in eine etwas bequemere Komfortsitzposition ändern, solange die automatisierte Steuerung die Fahraufgabe übernimmt.
Sowohl für die Fahrer- als auch für die Beifahrerseite wird gemäß den meisten Bordbüchern der Insassenschutz nur für die aufrechte Standardsitzposition gewährleistet. „Wir haben das Ziel, dass Insassen auch in Komfortsitzpositionen beim automatisierten Fahren mindestens die heute schon gewohnten Sicherheitsstandards genießen “, sagt Harald Lutz, Entwicklungsleiter bei ZF LIFETEC.
Ein Airbag, zwei Größen
Crashtests haben gezeigt: Kommt es zu einem Frontalcrash, während sich die vorderen Insassen in der Komfortsitzposition – einer Lehnenneigung von etwa 40 Grad – befinden, kann das klassische Gespann aus Gurt und Airbag die Insassen nicht mehr optimal schützen. Bei dieser Sitzeinstellung ist der Abstand zwischen dem aufgeblasenen Airbag und dem Insassen zu groß, um den Passagier optimal abzufangen und zurückzuhalten. Dazu muss man wissen, dass bei dieser Neigungsangabe der 90 Gradwinkel von Lehne zu Sitzfläche als 0 Punkt definiert wird, die normale Sitzposition liegt demnach bei etwa 20 Grad. Mit Blick auf das automatisierte Fahren ist deshalb eine Lösung notwendig, die für beide Positionen hohe Sicherheit bietet. Dies ist die Idee, die hinter dem Dual-Contour-Airbag steht. Vereinfacht gesagt besteht die Lösung aus einem Luftsack, der standardmäßig für die Standardsitzposition ausgelegt ist, aber entsprechend vergrößert werden kann, wenn sich die Insassen in einer Komfortsitzposition befinden.
Bei der Entwicklung nutzt ZF LIFETEC Erfahrungen aus der Entwicklung eines Dual-Contour-Beifahrerairbags, der in diesem Jahr seine Applikationsreife erlangen wird. Der Dual-Contour-Fahrerairbag bietet ebenfalls zwei Stufen, die je nachdem, ob sich die Person hinter dem Lenkrad in aufrechter oder in Komfortsitzposition befindet, dementsprechend weiter ausfährt. Die Zweistufigkeit lässt sich über ein Steuergerät regeln, das ein System aus Fangbändern schaltet. Die Fangbänder sind mit einer aktiven Auslöseeinheit verbunden, die diese bei Bedarf frei geben.
Gasgenerator für Extra-Volumen
Damit sich der Dual-Contour-Fahrerairbag voll entfalten kann, muss die Gasfüllmenge erhöht werden. Hierfür ist ein zweistufiger Gasgenerator notwendig, den ZF LIFETEC für Airbags mit besonders großem Volumen entwickelt hat. Er ist in der Lage, innerhalb von Millisekunden alle zwei Volumengrößen des im Lenkrad integrierten Fahrerairbags zu befüllen. Lutz betont, dass diese Art von Airbag auf der Fahrerseite eine Tiefenadaptivität von ca. 200 mm darstellen kann. Die maximale Gesamtfüllmenge eines Dual-Contour-Airbags wird derzeit auf der Beifahrerseite erreicht und beträgt bis zu 190 Liter, was einzigartig auf dem Markt ist. „Das ist absolute Benchmark auf diesem Gebiet“, merkt Lutz an. Er betont: „ZF LIFETEC bietet damit ein hohes Sicherheitsniveau und deckt alle künftigen Anforderungen hinsichtlich Adaptivität ab.“
Angepasster Fülldruck
Da die Airbag-Steuerung in die Pkw-Elektronik integriert ist, „weiß“ das Fahrzeugsystem beispielsweise, in welcher Sitzposition Fahrerin oder Fahrer sich im Moment des Crashs befinden und welche Stufe des Gasgenerators ausgelöst werden muss. Neben Sitzneigungs- und Gewichtssensoren lassen sich weitere Sensoren, wie etwa Innenraumkameras, zur genaueren Bewertung des Szenarios im Innenraum in das System integrieren.
Deshalb ist es möglich, noch eine weitere Adaption in den Dual-Contour-Airbag zu realisieren: So lässt sich der Fülldruck des Luftsacks je nach Größe, Gewicht und Statur der Insassen variieren. Wenn Sensoren oder Innenraumkameras die entsprechenden Informationen bereitstellen und etwa eine große, schwere Person hinter dem Lenkrad erkennen, können beispielsweise Abströmöffnungen angesteuert werden, um so einen höheren Fülldruck und damit eine höhere Rückhaltung des Insassen zu erzeugen. “Mit diesem adaptiven System, das ZF LIFETEC bereits in anderen Airbags in Serienanwendungen anbietet, wird die Rückhaltefunktion des Airbags in vielen Fahrzeugen schon heute effizienter und trägt gleichzeitig dem Ansatz der ‚‘Real-Life-Safety‘ Rechnung”, fasst Lutz zusammen.